Sustainable Finance
Unbeirrt auf Nachhaltigkeitskurs – gerade in Corona-Zeiten
Verlieren Nachhaltigkeitsprinzipien in Zeiten der wirtschaftlichen Erholung nach dem Corona-Lockdown an Bedeutung? Ganz im Gegenteil: Viele Unternehmen integrieren gerade jetzt Nachhaltigkeit in ihre Unternehmensstrategie. Commerzbank Insights wirft einen Blick auf die Entwicklung der Nachhaltigkeitsagenda und erläutert, welche Rolle die Banken bei der Finanzierung nachhaltiger Projekte spielen.
Wie hat sich das Interesse an nachhaltigen Finanzprodukten entwickelt?
Die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie haben die gesamte Gesellschaft unter Druck gesetzt. Daher lag die Vermutung nahe, dass sich Unternehmen, Aufsichtsbehörden, Regierungen und Banken ganz auf Maßnahmen zur wirtschaftlichen Erholung konzentrieren – auf Kosten nachhaltiger sozialer und ökologischer Initiativen, die zuvor ganz oben auf der Agenda standen.
Dies ist jedoch nicht der Fall. Vielmehr hat die Pandemie die Bedeutung von Umwelt-, Sozial- und Governance-Aspekten (ESG) für einen langfristigen wirtschaftlichen Erfolg deutlich gemacht. So haben sich vielfältige Initiativen das Ziel gesetzt, Nachhaltigkeit zu fördern. Entsprechend ist der Markt für nachhaltige Finanzierungen stark gewachsen: Das ehemals kleine Teilsegment von Sustainable Finance ist durch die Emission von grünen und sozialen Anleihen außerordentlich stark gewachsen.
Welche Rolle haben dabei die Unternehmen gespielt?
Sicherlich hat die Pandemie auch dazu geführt, dass Investoren, Verbraucher und andere Interessengruppen genauer hinschauen, welche Rolle die Unternehmen bei der Bewältigung gesellschaftlicher Probleme spielen – sei es im Gesundheitswesen oder beim Klimawandel. Insbesondere von großen Unternehmen wird erwartet, dass sie maßgeblich zur Nachhaltigkeit beitragen und im Zuge des Wandels eine wichtige Funktion haben. Und das aus gutem Grund.
Viele Unternehmen stellen sich dieser Verantwortung, beispielsweise indem sie sich Kapital für entsprechende Projekte beschaffen. So nahm der Pharmakonzern Pfizer auf den Anleihemärkten über eine Milliarde US-Dollar auf, um Nachhaltigkeitsprojekte im Rahmen seiner COVID-19-Maßnahmen zu finanzieren. Im August 2020 emittierte Alphabet, die Muttergesellschaft von Google, die bisher größte Unternehmensanleihe für Nachhaltigkeit. Der Erlös von 5,75 Milliarden US-Dollar fließt in verschiedene Umwelt- und Sozialinitiativen – von Energieeffizienz, sauberer Energie und Logistik über Gesundheitswesen, Diversity und Inklusion bis hin zur Schaffung erschwinglichen Wohnraums. Angesichts dieser zunehmenden Dynamik gehen wir davon aus, dass Emissionen unter dem Siegel der Nachhaltigkeit oder sogar mit direktem Nachhaltigkeitsbezug mehr und mehr zu einer Selbstverständlichkeit werden.
Wie lässt sich weiteres Interesse an einem nachhaltigen Finanzwesen wecken?
Ein Thema, das zu Recht an Bedeutung gewinnt, ist die Transparenz – insbesondere bei den Fragen, wohin die Erlöse aus nachhaltigen Anleihen fließen und ob sie zu den angestrebten sozialen und/oder ökologischen Ergebnissen führen. Solange man sich dabei auf Selbstauskünfte und derzeit noch wenig aussagekräftige Benchmark-Vergleiche verlässt, bleibt dies ein schwieriges Unterfangen. So kommt es zu der Kritik, dass die gesellschaftlichen Auswirkungen der Emission nachhaltiger Anleihen stark übertrieben oder für den Anleger irreführend sind – schnell ist dann von „Green Washing“ oder „Social Washing“ die Rede.
Doch inzwischen gibt es Fortschritte in Sachen Transparenz, insbesondere bei der Entmystifizierung der grünen Finanzwelt. Seit Juli 2020 definiert die Taxonomie-Verordnung der Europäischen Union (EU) die Kriterien dafür, ob eine wirtschaftliche Tätigkeit als ökologisch nachhaltig einzustufen ist. So lässt sich der Grad der ökologischen Nachhaltigkeit einer Investition ermitteln. Es lohnt sich also, mehr Daten offenzulegen, um die Nachhaltigkeitsaspekte eines Projekts oder einer Transaktion aufzuzeigen und Kapitalströme auf dieses Projekt zu lenken. Die Taxonomie hat eine einheitliche Terminologie für nachhaltige Finanzierer geschaffen und erlaubt gleichzeitig ein effektives Benchmarking. Zusammen mit branchenweiten Initiativen wie den Green Bond Principles (ein freiwilliger globaler Standard, der Leitlinien für den Emissionsprozess von Green Bonds setzt) könnte die Taxonomie zum grundlegenden Rahmen für Emissionen nicht nur in Europa werden, sondern weltweit.
Wie unterstützen Banken ihre Firmenkunden dabei, ihre Nachhaltigkeitsziele zu erreichen?
Finanzinstitute spielen eine wichtige Rolle bei der nachhaltigen Entwicklung – nicht nur als Kapitalgeber und Vermittler auf den Fremdkapitalmärkten, sondern auch dadurch, dass sie den Übergang zu nachhaltigeren Praktiken erleichtern.
Zu den möglichen Lösungen der Banken für ihre Firmenkunden gehören grüne Kredite, die den Green Loan Principles der Loan Market Association (LMA) entsprechen, an Nachhaltigkeit gebundene Darlehen sowie die mit dem grünen Label versehene Variante des Schuldscheins. Dieses privat platzierte und handelbare Instrument hat in der Regel Laufzeiten von zwei bis fünf Jahren und richtet sich an Unternehmen, die mit den Erlösen ihre nachhaltige Ausrichtung erweitern wollen. An Nachhaltigkeit gebundene Darlehen schaffen konkrete Anreize für mehr Nachhaltigkeit: So richtet sich die Marge des Darlehens danach, wie weit das Unternehmen nachhaltigkeitsbezogene Leistungsindikatoren (Key Performance Indicators – KPIs) erfüllt. Diese KPIs können ein Nachhaltigkeitsrating oder andere Ziele umfassen, die aus der Geschäftstätigkeit des Unternehmens abgeleitet werden.
Darüber hinaus sind Finanzinstitute in puncto Nachhaltigkeit auch wichtige Mittler, indem sie das Kapital anderer Institutionen in solche Projekte lenken. Diese Rolle ergibt sich zum einen aus den zunehmenden Anforderungen an das Finanz- und Risikomanagement, die zu einer Belastung der Bilanzen führen. Zum anderen lässt sich das ganze Spektrum nachhaltiger Bankgeschäfte nur ausschöpfen, wenn das Kapital von Investoren mit unterschiedlichen Investitionszielen gesammelt wird. Die Banken sind dabei die Spielmacher: Sie verbinden Investoren mit den passenden Investitionsmöglichkeiten – und umgekehrt.
Wie ist die Commerzbank vorgegangen, um sich stärker auf Nachhaltigkeit auszurichten?
Da unsere internationalen Firmenkunden bei ihren Entscheidungen immer stärker Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigen, stehen wir bereit, um sie bei aktuellen Projekten ebenso zu unterstützen wie bei langfristigen Nachhaltigkeitszielen – zum Wohle der Umwelt, der Menschen und der Wirtschaft. Diese Ziele schließen sich keineswegs aus, sondern sind untrennbar miteinander verbunden.
Wir haben viele Maßnahmen ergriffen, um unseren Verpflichtungen gerecht zu werden und die nachhaltigste Geschäftsbank Deutschlands zu werden. So agieren wir regelmäßig als Bookrunner für nachhaltige Anleihen und haben seit 2018 als Lead Manager bereits 65 Transaktionen mit einem Gesamtvolumen von rund 54 Milliarden Euro begleitet. Und allein 2019 haben wir uns an 20 nachhaltigen oder an Nachhaltigkeit gebundenen Finanzierungen (einschließlich Schuldscheinen) im Gesamtvolumen von 27,3 Milliarden Euro beteiligt. Mit unserem Competence Center Energy in Hamburg sind wir einer der größten Finanzierer erneuerbarer Energien in Europa. Ebenfalls zur Finanzierung erneuerbarer Energien dient der zweite eigene Green Bond, den die Commerzbank im September 2020 sehr erfolgreich mit einem Emissionsvolumen von 500 Millionen Euro begeben hat.
Angesichts der Häufung von extremen Unwettern und des Ausbruchs von Pandemien müssen Finanzinstitute deren mögliche Auswirkungen auf ihre Geschäftstätigkeit antizipieren. Wenn Unternehmen sich langfristig stabil aufstellen und dabei auch für die Folgen von Wetterextremen sowie eines möglichen Wandels politischer Vorgaben oder Verbraucherpräferenzen vorsorgen, überzeugen sie auf Dauer mit soliden Finanzzahlen, dafür gibt es zahlreiche Belege.
Unsere Strategie ist also klar: Die Commerzbank engagiert sich für die Gesellschaft von morgen, indem sie dafür heute investiert.